Etwa 20.000 Personen erkranken in Deutschland jährlich an einem Pankreaskarzinom, das Lebenszeitrisiko liegt bei 1,7 %. Patienten mit einem erblichen Tumorprädispositionssyndrom können ein deutlich höheres Lebenszeitrisiko tragen. Aktuell kann bei etwa 10 % der Pankreaskarzinom-Patienten eine angeborene genetische Veränderung in einem Tumorprädispositionsgen als Ursache identifiziert werden. (1) Diese Erkrankungen werden in der Regel autosomal-dominant vererbt, so dass Geschwister und Kinder die ursächliche genetische Veränderung zu 50 % ebenfalls tragen.
Insbesondere sind hierbei Mutationen in Genen der DNA-Doppel-strang-Reparatur zu nennen. Hierzu gehören die Gene BRCA1, BRCA2, ATM und PALB2 bzw. im EPCAM-Gen, die in erster Linie mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs und ggf. Eierstockkrebs assoziiert sind.
Auch bei Mutationen in den DNA-Mismatch-Reparatur-Genen MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 bzw. im EPCAM-Gen, welche für das HNPCC/Lynch-Syndrom (die häufigste Form von erblichem Darmkrebs) ursächlich sind, besteht ein erhöhtes Risiko für Pankreaskarzinome. Zusätzlich sind Pankreaskarziome Teil des Spektrums weiterer Tumorsyndrome, wie des Peutz-Jeghers-Syndroms (STK11-Gen) oder des Familiären atypischen multiplen Muttermal- und Melanom (FAMMM)-Syndroms (CDKN2A-Gen).
Ein erhöhtes Risiko für Pankreaskarzinome besteht auch bei Patienten mit einer chronischen Pankreatitis, die ebenfalls erblich bedingt sein kann. Durch genetische Veränderungen (vor allem in den Genen PRSS1, SPINK1 und CFTR) werden Pankreasenzyme im Pankreasorgan aktiviert, was zu einer chronischen Entzündung führt und über die Jahre ein erhöhtes Pankreaskarzinomrisiko bedeutet.
Längst nicht in allen Familien mit einer familiären Häufung von Pankreaskarzinomen kann derzeit eine genetische Ursache identifiziert werden, so dass es wahrscheinlich weitere, bislang nicht identifizierte Risikogene gibt.
Im Vergleich zu anderen erblichen Tumorerkrankungen findet sich bei Patienten mit einem erblichen Pankreaskarzinom deutlich seltener ein auffällig junges Erkrankungsalter oder eine Häufung von Pankreaskarzinomen in der Familie. Die Familien-anamnese hat deshalb nur einen begrenzten Stellenwert bei der Identifizierung dieser Familien. Entsprechend gehen die Empfehlungen in internationalen Leitlinien derzeit dorthin, bei jedem Pankreaskarzinom-Patienten eine genetische Diagnostik bezüglich eines erblichen Tumorsyndroms zu empfehlen. (2)
Die Identifizierung der Patienten, bei denen ein erbliches Tumor-syndrom vorliegt, hat aus verschiedenen Gründen wesentliche Bedeutung für die klinische Betreuung:
Einschätzung des Tumorrisikos
Abhängig davon, welche genetische Ursache der Erkrankung zu-grunde liegt, besteht ein erhöhtes Risiko für ein anderes Spektrum von Tumoren. Beispielsweise besteht bei einem HNPCC/Lynch-Syndrom ein deutlich erhöhtes Risiko für Kolon- und Endometriumkarzinome sowie ein breites Spektrum weiterer (insbesondere gastrointestinaler) Tumore, was in der Früherkennung zu berücksichtigen ist.
Empfehlung adäquater Vorsorgemaßnahmen
Aufgrund der nach wie vor schlechten Therapierbarkeit der Erkrankung ist die frühe Diagnose des Pankreaskarzinoms umso relevanter für die Prognose. Eine Früherkennung bezüglich Pankreaskarzinomen ist generell schwierig und aufwändig, wird aber mittlerweile in spezialisierten Zentren für Risikopersonen mit erblichen Tumorsyndromen oder familiärer Häufung von Pankreaskarzinomen angeboten und von internationalen Experten bei Hochrisikopersonen empfohlen. (2)
Die weiteren Vorsorgeuntersuchungen unterscheiden sich bei den genannten erblichen Tumorsyndromen abhängig vom assoziierten Tumorspektrum deutlich voneinander.
Beim erblichen Brust- und Eierstockkrebs, welcher durch Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2 verursacht wird, steht die Früherkennung von Mammakarzinomen im Vordergrund, ebenso bei Trägerinnen einer Mutation in den Genen ATM und PALB2.
Zusätzlich zu Früherkennungsuntersuchungen werden bei diesen Tumorsyndromen auch prophylaktische Operationen angeboten, insbesondere um das Risiko für Ovarialkarzinome zu senken, für die es keine geeigneten Früherkennungsmaßnahmen gibt.
Zielgerichtete Therapie
Die genetischen Hintergründe der Tumorerkrankung gewinnen auch beim Pankreaskarzinom zunehmend an Bedeutung für die Therapieplanung.
Tumoren mit einer BRCA-Mutation scheinen eher auf eine platinhaltige Chemotherapie anzusprechen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren.
Tumore, welche auf dem Boden eines DNA-Mismatch-Reparatur-Defektes entstehen, haben generell eine günstigere Prognose. Zudem kann eine Therapie mit PD1-In-hibitoren erwogen werden.
Prädiktive Testung von Angehörigen
Nicht zuletzt ermöglicht der Nachweis einer ursächlichen genetischen Veränderung beim Index-patienten eine prädiktive Testung der Angehörigen, um deren Tumorrisiko besser einschätzen und sie einem adäquaten Vorsorgeprogramm zuführen zu können.
Die Diagnose eines erblichen Tumorsyndroms hat somit weitreichende Konsequenzen für die klinische Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen.
Quellen
- Yurgelun MB, Chittenden AB, Morales-Oyarvide V, Rubinson DA, Dunne RF, Kozak MM, u. a. Germline cancer susceptibility gene variants, somatic second hits, and survival outcomes in patients with resected pancreatic cancer. Genet Med. 2019;21(1):213–23.
- Goggins M, Overbeek KA, Brand R, Syngal S, Del Chiaro M, Bartsch DK, u. a. Management of patients with increased risk for familial pancreatic cancer: updated recommendations from the International Cancer of the Pancreas Screening (CAPS) Consortium. Gut. 2020;69(1):7-17.
Autor: Klinische Kompetenzgruppe Onkologie