ERBLICHER DARMKREBS

Krebs gehört zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Die Diagnose Darmkrebs trifft jedes Jahr etwa 71.000 Menschen. Durch prophylaktisch präventive Maßnahmen wie z. B. eine Darmspiegelung ist er vermeidbar. In der Vorsorge erkannt, ist er oft heilbar. Bei einer genetischen Risikoerhöhung sind intensivere Früherkennungsmaßnahmen als für die Allgemeinbevölkerung sinnvoll. Etwa eine von 250 Personen trägt eine Risikoerhöhung für Darmkrebs basierend auf einer vererbbaren genetischen Veranlagung.

Kriterien zur Abklärung des individuellen Risikos

Trifft eines der nachfolgend genannten Kriterien auf Sie oder Ihre Familie zu, sollten Sie das individuelle Risiko abklären lassen:

  • Auftreten von Darmkrebs bei mehreren Familienmitgliedern,
  • ein Erkrankungsalter für Darmkrebs oder Gebärmutterkrebs vor dem Lebensjahr oder schleimbildendes Karzinom vor dem 60. Lebensjahr,
  • zwei oder mehr Darmkrebserkrankungen bei einem Familienmitglied,
  • Darmkrebs und andere Krebserkrankungen in der Familie und/oder
  • Neigung zur Polypenbildung.

Erblicher Darmkrebs

Man unterscheidet im Wesentlichen erbliche Darmkrebserkrankungen mit einer Neigung zur Polypenbildung (Polyposis) und solche mit nur wenigen Polypen im Darm (HNPCC – hereditäres nicht polypöses kolorektales Karzinom).

FAP/MAP (familiäre adenomatöse Polyposis): Hier geht dem Darmkrebs ein vermehrtes Wachstum von   Polypen im Dickdarm, eine sog. Polyposis voraus. Die Erkrankung wird meist im Stadium der Polyposis ohne Karzinomerkrankung diagnostiziert.

HNPCC: Man findet, wenn überhaupt, nur eine geringe Anzahl von Polypen.  Meist liegt bei Diagnosestellung bereits eine Krebserkrankung vor. Seltener können auch Krebserkrankungen in anderen Organen auftreten: Gebärmutter, Niere, Harnleiter, Magen, Eierstöcke.

Erhöhtes Risiko für Darmkrebs – was tun?

Wenn Sie aufgrund der genannten Kriterien ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs befürchten und Sie sich näher über Ihr individuelles Risiko und die Möglichkeiten zur Früherkennung und Prophylaxe informieren möchten, ist eine humangenetische Beratung  sinnvoll. Die Inanspruchnahme eines genetischen Beratungsgespräches ist unabhängig davon ob Sie selbst von einer Krebserkrankung betroffen sind oder nicht.

Bei der genetischen Beratung klären wir gemeinsam mit Ihnen, ob die in der Familie aufgetretenen Krebserkrankungen möglicherweise eine erbliche Ursache haben, und wie hoch Ihr persönliches Risiko ist, an Krebs zu erkranken. Ein wesentlicher Bestandteil der genetischen Beratung ist die Erstellung eines Familienstammbaums

bis hin zu den Großeltern. Hier vermerken wir mit Ihnen zusammen so detailliert wie möglich, welche Verwandten in welchem Alter an welchem Krebs erkrankten.

In Abhängigkeit von der Risikoeinschätzung kann eine genetische Blutuntersuchung von den heute bekannten Darmkrebsgenen sinnvoll sein. Sollten wir bei Ihnen feststellen, dass ein erbliches Darmkrebsrisiko besteht, werden wir gemeinsam darüber sprechen, was diese Erkenntnis für Ihr weiteres Leben und das der Familie bedeutet.

Diese Ergebnisse ermöglichen für Sie, Ihre Nachkommen und die weiteren Familienmitglieder:

  • die korrekte Einschätzung des Erkrankungsrisikos,
  • eine Vorsorgeempfehlung, die auf dieses Risiko angepasst ist,
  • die Erfassung weiterer Risikopersonen in der Familie sowie
  • ggfs. eine entsprechend dem Genetikbefund individualisierte Krebstherapie.

Nur durch korrekte Risikoeinschätzung und die sich daraus ergebenden Vorsorgemaßnahmen können Krebserkrankungen in den betroffenen Familien entweder verhindert oder so frÃüh erkannt werden, dass sie mit den individualisierten therapeutischen Maßnehmen eine hohe Aussicht auf Heilung haben.

Selbsthilfegruppen erbliche Tumorerkrankungen

Autor: Klinische Kompetenzgruppe Onkologie

Magenkarzinome im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome

Ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome besteht auch im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome. Insbesonde-reisthierdiehäufigsteFormvonerblichemDarmkrebs (das so genannte HNPCC/Lynch-Syndrom) zu nennen, bei dem die Träger einer ursächlichen genetischen Veränderungen ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs, aber auch für Tumoren in der Gebärmutter, den Eierstöcken, dem Magen, dem Dünndarm, der Bauchspeicheldrüse, den ableitenden Harnwegen und für bestimmte Hauttumoren tragen. Auch bei verschiedenen gastrointestinalen Polyposis-Syndromen ist ein erhöhtes Magenkarzinomrisiko beschrieben.

Dies sind vor allem die Familiäre Adenomatöse Polyposis und das verwandte GAPPS (gastric adenocarcinoma and proximal polyposis of the stomach), die durch Mutationen im APC-Gen verursacht werden, sowie die Juvenile Polyposis (SMAD4- und BMPR1A- Gen) und das Peutz-Jeghers-Syndrom (STK11-Gen). Sehr selten liegt auch ein Li-Fraumeni-Syndrom zugrunde, das mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl von Tumoren einhergeht.

Familiäres Magenkarzinom

Klinik

In vielen Familien, in denen eine Häufung von Magenkarzinomen eine erbliche Ursache vermuten lässt, kann derzeit keine genetische Veränderung nachgewiesen werden. Es ist denkbar, dass in diesen Familien Varianten in bislang nicht bekannten Risikogenen für das familiäre Auftreten von Magenkarzinomen verantwortlich sind. Der Nachweis eines erblichen Tumorsyndroms bei einem Patienten hat weitreichende Konsequenzen für seine weitere klinische Betreuung. Dies gilt zum einen für die Wahl des operativen Verfahrens, bei dem das hohe Risiko für Zweitkarzinome berücksichtigt werden muss. Zum anderen benötigen auch gesunde Träger einer pathogenen CDH1-Mutation lebenslang eine intensivierte Vorsorge bezüglich Magenkarzinomen, bei Frauen zusätzlich bezüglich Mammakarzinomen. 

Genetik

Um eine sinnvolle Früherkennung zu gewährleisten sind engmaschige Biopsien der Magen- wand notwendig, da diffuse Magenkarzinome im Frühstadium häufig innerhalb der Magenwand wachsen und endoskopisch nicht zu erkennen sind. Lange wurde von Experten-Netzwerken die prophylaktische Gastrektomie bei gesicherten Mutationsträgern als sinnvollste Maßnahme emp- fohlen. Inzwischen wird diese Empfehlung aufgrund der häufig begleitenden Einschränkung derLebensqualität jedoch wieder vorsichtiger ausgesprochen. (1)

Quellen:
(1.) van der Post RS, Vogelaar IP, Carneiro F, Guilford P, Huntsman D, Hoogerbrugge N, u.a.Hereditary diffuse gastric cancer: updated clinical guidelines with an emphasis on germline CDH1 mutation carriers. J Med Genet. Juni 2015;52(6):361–74.

Klinik

Beim Hereditären Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom besteht neben der Neigung zu Paragangliomen ein erhöhtes Risiko für Phäochromozytome. 

Paragangliome und Phäochromozytome treten z. B. auch bei Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom (Mutationen im VHL-Gen) oder Neurofi- bromatose Typ 1 (Mutationen im NF1-Gen) auf.

Genetik

Bei 20 – 70 % der familiären Fälle werden Mutationen in den Genen SDHD, SDHB oder SDHC nachgewiesen. Seltener werden Mutationen in den Genen SDHAF2, SDHA, MAX und TMEM127 gefunden. Für weitere Gene (z. B. KIF1B und EGLN1) ist ein Zusammenhang bisher nicht gesichert.

Weitere Formen

Endokrine Tumore sind u. a. auch im Rahmen folgender weiterer Erkrankungen beschrieben: Tumore der Nebennierenrinde (adrenokortikale Karzinome) beim Li-Fraumeni-Syndrom (TP53-Mutationen), Hyperparathyreoidismus bei Mutationen in den Genen CASR oder CDC73, Hypophy- sentumore bei Mutationen in den Genen AIP oder PRKAR1A.

 

Handlungsempfehlungen

Aufgrund des erhöhten Tumorrisikos vieler der o. g. Erkrankungen werden für Mutationsträger teilweise spezielle Früherkennungsuntersuchungen und ggf. prophylaktische Operationen empfohlen.

Quellen: Ferreira et al. Cancer Manag Res. 2013 May 8;5:57-66, Khatami and Tavangar Biomark Insights 2018 Jul 2;13, Martucci and Pacak Curr Probl Cancer. 2014 Jan-Feb;38(1), Norton et al. Surg Oncol Clin N Am. 2015 Oct;24(4) Thakker et al. Clinical Practice. J Clin Endocrinol Metab, 2012, 97(9):2990-3011, Gene- Reviews, OMIM

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