PROSTATAKARZINOM

Bei 66.900 Neuerkrankungen pro Jahr ist das Lebenszeitrisiko mit 12,3 % anzugeben. Mehr als 60 % der Fälle werden nach dem 65. Lebensalter diagnostiziert und nur selten vor dem 40. Lebensalter. Histologisch handelt es sich bei über 98 % um Adenokarzinome, maligne Tumore der Epithelschicht des Drüsengewebes.

Risikofaktoren

Risikofaktoren sind das steigende Alter, bestimmte Ernährungsweisen und eine familiäre Belastung. So ist bekannt, dass das Risiko frühzeitig an Prostatakrebs zu erkranken, steigt, wenn einer oder mehrere männliche Familienangehörige erkranken oder weibliche Angehörige wiederholt an Brustkrebs erkrankt sind. Das Risiko für ein Prostatakarzinom verdoppelt sich, wenn ein Verwandter ersten Grades betroffen ist.

Genetische Zuordnung

Ca. 15 % der Männer mit einem Prostatakarzinom weisen eine Keimbahnmutation auf: BRCA2 4,5 %, CHEK2 2,2 %, ATM 1,8 % und BRCA1 1,1% (1).

Darüber hinaus können Mutationen in den Genen RAD51D, MLH1, MSH2, MSH6, PMS2, HOXB13, BRIP1 oder PALB2 zu einem erblichen Prostatakarzinom führen (2).

Die Wahrscheinlichkeit für die Diagnose einer erblichen Prostatakarzinomerkrankung hängt vom Gleason Score ab: 

  • Gleason 6 – 3 %,
  • Gleason 7 – 21 % und
  • Gleason 8 – 76 %.

Die genetische Zuordnung ist wichtig, da für immer mehr erbliche Tumorsyndrome zielgerichtete Therapien vorliegen. Für Prostatakarzinome verursacht durch BRCA2 sind das PARP-Inhibitoren, beim HNPCC/Lynch-Syndrom steht eine PD1- Blockade zur Verfügung.

Bedeutung und klinische Charakteristika am Beispiel einer
BRCA2-Mutation

  • 77 % Gleason Score > 8
  • Mittleres Erkrankungsalter 61 Jahre
  • BRCA2-Mutation bedeutet 30 – 40 % Erkrankungsrisiko
  • Therapieoption mit PARP-Inhibitoren
  • Hohes Brust- und Ovarialkarzinomrisiko bei Frauen in der Familie

Die allermeisten Prostatakarzinome treten familiär gehäuft auf, es lässt sich aber keine Mutation in einem der hier genannten Gene nachweisen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier um sogenannte polygene Formen. Hier müssen viele, vermutlich mehrere hundert, einzelne genetische Varianten zusammenkommen damit sich eine signifikante Risikoerhöhung ergibt. Die einzelnen Varianten führen nur zu einer marginalen Risikoerhöhung, in der Summe kann sich jedoch eine signifikante Risikoerhöhung ergeben. Da diese Varianten in der Bevölkerung häufig sind und auch Frauen diese Varianten tragen, ergeben sich familiäre Häufungen, meist im höheren Lebensalter. Die Analyse dieser polygen vererbten Formen ist grundsätzlich schon möglich. Die sich daraus ergebenden klinischen Konsequenzen müssen in Studien noch erarbeitet werden.

Quellen

(1.) Giri VN, Hegarty SE, Hyatt C, O’Leary E, Garcia J, Knudsen KE, u. a. Germline genetic testing for inherited prostate cancer in practice: Implications for genetic testing, precision therapy, and cascade testing. Prostate. 2019;79(4):333-9. 

(2.) Zhen JT, Syed J, Nguyen KA, Leapman MS, Agarwal N, Brierley K, u. a. Genetic testing for hereditary prostate cancer: Current status and limitations. Cancer. 01 2018;124(15):3105–17.

Autor: Klinische Kompetenzgruppe Onkologie

Magenkarzinome im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome

Ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome besteht auch im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome. Insbesonde-reisthierdiehäufigsteFormvonerblichemDarmkrebs (das so genannte HNPCC/Lynch-Syndrom) zu nennen, bei dem die Träger einer ursächlichen genetischen Veränderungen ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs, aber auch für Tumoren in der Gebärmutter, den Eierstöcken, dem Magen, dem Dünndarm, der Bauchspeicheldrüse, den ableitenden Harnwegen und für bestimmte Hauttumoren tragen. Auch bei verschiedenen gastrointestinalen Polyposis-Syndromen ist ein erhöhtes Magenkarzinomrisiko beschrieben.

Dies sind vor allem die Familiäre Adenomatöse Polyposis und das verwandte GAPPS (gastric adenocarcinoma and proximal polyposis of the stomach), die durch Mutationen im APC-Gen verursacht werden, sowie die Juvenile Polyposis (SMAD4- und BMPR1A- Gen) und das Peutz-Jeghers-Syndrom (STK11-Gen). Sehr selten liegt auch ein Li-Fraumeni-Syndrom zugrunde, das mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl von Tumoren einhergeht.

Familiäres Magenkarzinom

Klinik

In vielen Familien, in denen eine Häufung von Magenkarzinomen eine erbliche Ursache vermuten lässt, kann derzeit keine genetische Veränderung nachgewiesen werden. Es ist denkbar, dass in diesen Familien Varianten in bislang nicht bekannten Risikogenen für das familiäre Auftreten von Magenkarzinomen verantwortlich sind. Der Nachweis eines erblichen Tumorsyndroms bei einem Patienten hat weitreichende Konsequenzen für seine weitere klinische Betreuung. Dies gilt zum einen für die Wahl des operativen Verfahrens, bei dem das hohe Risiko für Zweitkarzinome berücksichtigt werden muss. Zum anderen benötigen auch gesunde Träger einer pathogenen CDH1-Mutation lebenslang eine intensivierte Vorsorge bezüglich Magenkarzinomen, bei Frauen zusätzlich bezüglich Mammakarzinomen. 

Genetik

Um eine sinnvolle Früherkennung zu gewährleisten sind engmaschige Biopsien der Magen- wand notwendig, da diffuse Magenkarzinome im Frühstadium häufig innerhalb der Magenwand wachsen und endoskopisch nicht zu erkennen sind. Lange wurde von Experten-Netzwerken die prophylaktische Gastrektomie bei gesicherten Mutationsträgern als sinnvollste Maßnahme emp- fohlen. Inzwischen wird diese Empfehlung aufgrund der häufig begleitenden Einschränkung derLebensqualität jedoch wieder vorsichtiger ausgesprochen. (1)

Quellen:
(1.) van der Post RS, Vogelaar IP, Carneiro F, Guilford P, Huntsman D, Hoogerbrugge N, u.a.Hereditary diffuse gastric cancer: updated clinical guidelines with an emphasis on germline CDH1 mutation carriers. J Med Genet. Juni 2015;52(6):361–74.

Klinik

Beim Hereditären Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom besteht neben der Neigung zu Paragangliomen ein erhöhtes Risiko für Phäochromozytome. 

Paragangliome und Phäochromozytome treten z. B. auch bei Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom (Mutationen im VHL-Gen) oder Neurofi- bromatose Typ 1 (Mutationen im NF1-Gen) auf.

Genetik

Bei 20 – 70 % der familiären Fälle werden Mutationen in den Genen SDHD, SDHB oder SDHC nachgewiesen. Seltener werden Mutationen in den Genen SDHAF2, SDHA, MAX und TMEM127 gefunden. Für weitere Gene (z. B. KIF1B und EGLN1) ist ein Zusammenhang bisher nicht gesichert.

Weitere Formen

Endokrine Tumore sind u. a. auch im Rahmen folgender weiterer Erkrankungen beschrieben: Tumore der Nebennierenrinde (adrenokortikale Karzinome) beim Li-Fraumeni-Syndrom (TP53-Mutationen), Hyperparathyreoidismus bei Mutationen in den Genen CASR oder CDC73, Hypophy- sentumore bei Mutationen in den Genen AIP oder PRKAR1A.

 

Handlungsempfehlungen

Aufgrund des erhöhten Tumorrisikos vieler der o. g. Erkrankungen werden für Mutationsträger teilweise spezielle Früherkennungsuntersuchungen und ggf. prophylaktische Operationen empfohlen.

Quellen: Ferreira et al. Cancer Manag Res. 2013 May 8;5:57-66, Khatami and Tavangar Biomark Insights 2018 Jul 2;13, Martucci and Pacak Curr Probl Cancer. 2014 Jan-Feb;38(1), Norton et al. Surg Oncol Clin N Am. 2015 Oct;24(4) Thakker et al. Clinical Practice. J Clin Endocrinol Metab, 2012, 97(9):2990-3011, Gene- Reviews, OMIM

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