DYSTROPHINOPATHIEN

Einleitung

Die Muskeldystrophien vom Typ Duchenne (DMD [MIM 310200]) und vom Typ Becker (BMD [MIM 300376]), auch als Dystrophinopathien bezeichnet, gehören zu den häufigsten genetisch bedingten Muskelerkrankungen. Die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne manifestiert sich im Kindesalter und betrifft ca. 1 von 3.500 männlichen Neugeborenen. Die Muskeldystrophie vom Typ Becker ist eine klinisch ähnliche, aber weniger schwere Form der Muskeldystrophie, die schätzungsweise zwischen 1:18.000 und 1:31.000 männliche Geburten betrifft.

Jungen mit einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne fallen meistens zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr durch eine Verzögerung ihrer motorischen Entwicklung auf. Dies äußert sich in einem verspäteten Laufalter, häufigem Hinfallen (oft als Ungeschicklichkeit beschrieben) und Schwierigkeiten, Treppen im Wechselschritt zu bewältigen oder rasch zu Laufen bzw. zu Rennen. Die Muskelschwäche und Kontrakturen der Gelenke führen häufig zu einem Zehenspitzengang. Im weiteren Verlauf kann das Treppensteigen nur noch mit Zuhilfenahme eines Geländers möglich sein. Durch die Muskelschwäche der Becken- und Oberschenkelmuskulatur-kommt es zu einem charakteristisch hinkenden Gangbild, dem sog. „Watschelgang“ (Trendelenburgzeichen) sowie zu einem erschwerten Aufrichten aus dem Sitzen oder Liegen. Die Kinder klettern beim Aufrichten an sich selbst hoch (Gowers-Manöver) oder nutzen Wände und Möbel zum Abstützen. Im weiteren Verlauf ist aufgrund einer geschwächten Muskulatur der Schultern und Arme ein Anheben der Arme in die Waagrechte erschwert. Ein charakteristisches Anzeichen für eine Muskeldystrophie vom Typ Duchenne sind dabei vergrößerte Waden (Pseudohypertrophie) und abstehende Schulterblätter (Scapulae alatae). Zwischen dem 7. und 12. Lebensjahr sind viele Jungen auf einen Rollstuhl angewiesen, eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule setzt ein (Skoliose) und Kontrakturen der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke können entstehen. Aufgrund einer Schwäche der Atemmuskulatur ist das Abhusten bei Infekten erschwert und auch die Herzmuskulatur ist beeinträchtigt.

Die Muskeldystrophie vom Typ Becker ist eine klinisch ähnliche, aber abgeschwächte Form der Muskeldystrophie. Die Schwere der Erkrankung ist variabler als bei der DMD und reicht von Patienten, die im Alter von 16 Jahren rollstuhlabhängig sind, bis hin zu Patienten, die bis zum fünften oder sechsten Lebensjahrzehnt asymptomatisch bleiben. In Einzelfällen ist das erste Symptom der Erkrankung das akute Auftreten einer Herzmuskelschwäche oder -insuffizienz, welche durch die Kardiomyopathie verursacht wird. Eine asymptomatische X-chromosomal vererbte Hyper-CKämie (erhöhter Kreatinkinase-Wert im Blut) wurde auch assoziiert mit Mutationen des DMD-Gens beschrieben und kann insofern als die mildeste Form eines BMD-Phänotyps angesehen werden.

Genetische Ursachen

Die DNA, die das Erbgut des Menschen darstellt, bildet zwei Sätze von je 23 Chromosomen. Dabei ist ein Satz der Chromosomen von der Mutter vererbt, der andere Satz vom Vater. Zwei dieser Chromosomen bestimmen in der Regel das Geschlecht: Frauen tragen zwei X-Chromosomen, Männer je ein X- und ein Y-Chromosom.

Die Dystrophinopathien werden durch eine Veränderung im Erbgut hervorgerufen. Dieses liegt beim Menschen in Form von DNA-Molekülen vor, die durch ihre bestimmte Abfolge die sogenannten Gene bilden. Diese Gene sind ein Bauplan, auf den alle Prozesse im menschlichen Körper aufbauen. Verursacht eine Veränderung in einem Gen eine Krankheit, so wird sie als pathogene Variante oder Mutation bezeichnet.

Beide Formen der Dystrophinopathie, die Muskeldystrophie Typ Duchenne und die Muskeldystrophie Typ Becker beruhen auf Mutationen des Dystrophin(DMD)-Gens (MIM 300377), welches 79 Exone bzw. 2,2 Mbp umfasst. Ca. 60 -70 % der betroffenen Patienten tragen eine Deletion (Verlust von DNA) oder seltener eine Duplikation (Zugewinn von DNA) eines oder mehrerer Exone des DMD-Gens. Die restlichen ca. 30 % der Betroffenen weisen Punktmutationen oder kleine Deletionen / Insertionen innerhalb des DMD-Gens auf. Bei DMD-Patienten fehlt das Dystrophin-Protein typischerweise im Muskel, während bei BMD-Patienten das Dystrophin-Protein vorhanden ist, aber in Menge oder Größe abweicht und somit Funktion verändert ist.

Vererbung

Das Dystrophin (DMD)-Gen ist auf dem X-Chromosom lokalisiert. Beide Formen der Muskeldystrophie, DMD und BMD, folgen daher einem X-gebunden rezessiven Erbgang: während männliche Träger der Mutation das volle Bild der Erkrankung ausprägen, sind weibliche Anlageträgerinnen in der Regel klinisch unauffällig. Auch Frauen können jedoch erhöhte CK-Werte aufweisen und haben ein erhöhtes Risiko für eine dilatative Kardiomyopathie. In einigen Fällen kann auch bei weiblichen Anlageträge-rinnen eine -in den meisten Fällen nur mild bis moderate -muskuläre Symptomatik (Muskelschwäche, Myalgien) bestehen. Äußerst selten können auch Mädchen das Vollbild einer Muskeldystrophie Duchenne ausprägen.

In etwa 2/3 der Fälle haben betroffene Jungen die krankheitsursächliche Mutation von ihrer Mutter geerbt. Spontanmutationen, die bei der Mutter nicht nachweisbar, sondern bei einem Betroffenen neu aufgetreten sind, machen ca. 1/3 der Erkrankungsfälle aus. Allerdings besteht für Mütter von betroffenen Söhnen, bei denen die krankheitsursächliche Mutation im Blut nicht nachgewiesen werden kann, dennoch ein Wiederholungsrisiko für weitere betroffene Söhne. Dies liegt daran, dass nicht selten die Mutation bei der Mutter in einem Mosaikstatus vorliegt und nur einen Teil ihrer Körper- oder auch Keimzellen betrifft.

Ebenfalls zur Betreuung betroffener Patienten und ihrer Eltern gehört eine genetische Beratung der Eltern. Ist die Mutter eine asymptomatische Trägerin des veränderten Gens (Konduktorin, Anlagerträgerin), so sind Schwestern betroffener Kinder mit 50%iger Wahrscheinlichkeit ebenfalls Konduktorinnen, Brüder betroffener Kinder haben eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, ebenfalls zu erkranken.

Diagnosestellung

Der Creatinkinase (CK)-Spiegel im Serum ist bei BMD 10- bis 35-fach, bei DMD 50- bis 200-fach erhöht. In der Muskelbiopsie zeigen sich dystrophische Veränderungen (nekrotische und regenerierende Fasern). Immunhistochemisch lässt sich bei DMD ein völliges Fehlen des Dystrophins nachweisen, bei BMD zeigt sich eine veränderte Quantität und/oder Qualität des Dystrophins.

Auch wenn ein charakteristisches klinisches Bild eine Dystrophinopathie nahelegt, erfolgt die Diagnosesicherung und Abgrenzung von nicht-genetischen Differentialdiagnosen mittels einer humangenetischen Diagnostik aus einer Blutprobe. Nur durch den Nachweis der ursächlichen genetischen Veränderung kann die Erkrankung einer der beiden Dystrophinopathien (DMD bzw. BMD) zugeordnet werden.

Lässt sich bei einem typischen klinischen Bild keine Mutation im DMD-Gen sichern, sind differentialdiagnostisch andere Formen einer Gliedergürteldystrophie in Betracht zu ziehen.

Verlauf und Behandlung

Dystrophinopathien sind eine chronische, fortschreitende Erkrankung, wobei Schweregrad und Verlauf je nach genetisch definierter Form sehr unterschiedlich sein können.

Eine Heilung ist bislang nicht möglich. Die symptomatische Therapie zielt darauf ab, die Beschwerden der Muskeldystrophie abzumildern, Komplikationen zu behandeln und ein Voranschreiten aufzuhalten. Eine effektive Behandlung erfolgt multidisziplinär unter Einbeziehung von Arzt, Pflege, Physio- und Ergotherapie. Oft bedarf es auch einer psychologischen Unterstützung der Betroffenen und der Angehörigen.

Pharmakotherapie

Derzeit gelten bei DMD orale Kortikosteroide wie Prednison und Deflazacort als pharmakotherapeutischer Standard (1). Klinische Studien an Patienten mit DMD belegten eine verbesserte Muskelkraft und -funktion durch orale Prednisongabe, wodurch die Gehfähigkeit verlängert und die Prävalenz von Skoliose gesenkt werden konnte (2 -4).

In Einzelfällen kann eine Therapie mit dem Nahrungsergänzungsmittel Kreatinmonohydrat (5) sinnvoll sein. Eine geringe, aber nachweisbare Verbesserung der Muskelkraft durch Beta-2-Sympathomimetika konnte für DMD und BMD in einer Studie gezeigt werden (6).

Bei den Dystrophinopathien (DMD/BMD) ist die dilatative Kardiomyopathie häufig. Nach aktuellen Empfehungen des European Neuromuscular Center (ENMC) und des Treat-NMD Neuromuscular Networks sollten alle Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sowie vor jedem chirurgischen Eingriff ein EKG sowie eine nicht-invasive Bildgebung des Herzens erhalten. Als Bildgebung wird hier ein kardiales MRT empfohlen, sofern der Patient altersbedingt kooperieren kann. Eine Alternative ist der Herzultraschall (UKG). Das regelmäßige kardiale Monitoring sollte in jedem Alter jährliche Untersuchungen mittels EKG und nicht-invasiver Bildgebung vorsehen. Sobald sich Auffälligkeiten zeigen, muss die Frequenz entsprechend erhöht werden. In diesem Fall sollten die Patienten mit ACE-Hemmern und zusätzlich ggf. mit Beta-Blockern behandelt werden. Bei DMD-Patienten kann durch prophylaktische Behandlung mit dem ACE-Hemmer Perindopril die Entwicklung einer linksventrikulären Dysfunktion verzögert werden (1,7).

Stop-Codon-Readthrough (Translarn®, Wirkstoff: Ataluren)

Der Wirksoff Ataluren gehört zu den neu entwickelten molekularen Therapien, die nur bei Vorliegen ganz spezifischer Mutationen angewendet werden können. Voraussetzung für eine Anwendung von Ataluren ist das Vorliegen einer Nonsense-Mutation des DMD-Gens. Eine Nonsense-Mutation führt durch den Austausch eines Nukleotids (Einzelbausteins der DNA) an dieser Position zu einem vorzeitigen Stoppsignal für das Ablesen der Proteinkette.

Bindet der Wirkstoff Ataluren an die transkribierte RNA, kann das Ribosom bei der Translation das durch die Non-sense-Mutation eingeführte vorzeitige Stopp-Kodon überlesen. Hierdurch kommt es nicht zum vorzeitigen Abbruch der Translation. Das Ribosom liest die RNA bis zur korrekten Endstelle ab und bildet ein funktionsfähiges Protein (8). Auf Grundlage dieser Ergebnisse erhielt das Medikament 2014 eine bedingte Zulassung der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und kann aktuell bei Patienten mit Duchenne Muskeldystrophie, die eine Nonsense-Mutationen im DMD-Gen tragen, älter als 2 Jahre alt sind und noch gehfähig sind, eingesetzt werden. Dies entspricht etwa 13 % der DMD-Patienten (9).

Exon-Skipping durch Antisense-Oligonukleotide (EXONDYS 51®, Wirkstoff: Eteplirsen)

Sind im Dystrophin-Gen ein oder mehrere Exone deletiert, kann im anschließenden Genabschnitt der Leserahmen gestört sein, sodass kein funktionsfähiges Protein gebildet werden kann. Ein neuer Therapiensatz greift für diesen Fall auf sogenannte Antisense-Oligonukleotide (ASO) zurück, um die Erkrankung auf molekularer Ebene zu behandeln. ASO ermöglichen es, gezielt ein Exon beim Ablesen zu überspringen. Durch dieses sog. Exon-Skipping wird das produzierte Protein zwar kürzer, es wird jedoch der restliche Lese rahmen rekonstruiert, wodurch die Funktionalität des Proteins zumindest teilweise wiederhergestellt werden kann. Das klinische Bild kann somit im Optimalfall vom Vollbild (DMD) zu einer abgeschwächten Form -vergleichbar zur BMD -verbessert werden.

Ein Wirkstoff mit diesem molekularen Mechanismus, Eteplirsen, befindet sich aktuell in der frühen klinischen Entwicklung und ist unter dem Namen EXONDYS 51® (Sarepta Therapeutics) bislang nur in den USA eingeschränkt zugelassen.

Selbsthilfegruppen und nützliche Adressen

(1.)  Birnkrant DJ, Bushby K, Bann CM, Apkon SD, Blackwell A, Brumbaugh D, et al. Diagnosis and management of Duchenne muscular dystrophy, part 1: diagnosis, and neuromuscular, rehabilitation, endocrine, and gastrointestinal and nutritional management. Lancet Neurol. 2018;17(3):251-67.

(2.)  Lebel DE, Corston JA, McAdam LC, Biggar WD, Alman BA. Glucocorticoid treatment for the prevention of scoliosis in children with Duchenne muscular dystrophy: long-term follow-up. J Bone Joint Surg Am. 2013 Jun 19;95(12):1057-61.

(3.)  Merlini L, Gennari M, Malaspina E, Cecconi I, Armaroli A, Gnudi S, et al. Early corticosteroid treatment in 4 Duchenne muscular dystrophy patients: 14-year follow-up. Muscle Nerve. 2012 Jun;45(6):796-802.

(4.)  Lamb MM, West NA, Ouyang L, Yang M, Weitzenkamp D, James K, et al. Corticosteroid Treatment and Growth Patterns in Ambulatory Males with Duchenne Muscular Dystrophy. J Pediatr. 2016;173:207-213.e3.

(5.) Kley RA, Tarnopolsky MA, Vorgerd M. Creatine for treating muscle disorders. Cochrane Database Syst Rev [Internet]. 2013 Jun 5 [cited 2020 Feb 2];2013(6). Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6492334/

(6.)  Skura CL, Fowler EG, Wetzel GT, Graves M, Spencer MJ. Albuterol increases lean body mass in ambulatory boys with Duchenne or Becker muscular dystrophy. Neurology. 2008 Jan 8;70(2):137-43.

(7.)  Bourke JP, Guglieri M, Duboc D, ENMC 238th Workshop Study Group. 238th ENMC International Workshop: Updating management recommendations of cardiac dystrophinopathyHoofddorp, The Netherlands, 30 November – 2 December 2018. Neuromuscul Disord. 2019 Aug;29(8):634-43.

(8.)  Bushby K, Finkel R, Wong B, Barohn R, Campbell C, Comi GP, et al. Ataluren treatment of patients with nonsense mutation dystrophinopathy. Muscle Nerve. 2014 Oct;50(4):477-87.

(9.)  Anonymous. Translarna [Internet]. European Medicines Agency. 2018 [cited 2020 Feb 2]. Available from: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/translarna

Autor: Klinische Kompetenzgruppe Neurologie / Neuropädiatrie

Magenkarzinome im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome

Ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome besteht auch im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome. Insbesonde-reisthierdiehäufigsteFormvonerblichemDarmkrebs (das so genannte HNPCC/Lynch-Syndrom) zu nennen, bei dem die Träger einer ursächlichen genetischen Veränderungen ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs, aber auch für Tumoren in der Gebärmutter, den Eierstöcken, dem Magen, dem Dünndarm, der Bauchspeicheldrüse, den ableitenden Harnwegen und für bestimmte Hauttumoren tragen. Auch bei verschiedenen gastrointestinalen Polyposis-Syndromen ist ein erhöhtes Magenkarzinomrisiko beschrieben.

Dies sind vor allem die Familiäre Adenomatöse Polyposis und das verwandte GAPPS (gastric adenocarcinoma and proximal polyposis of the stomach), die durch Mutationen im APC-Gen verursacht werden, sowie die Juvenile Polyposis (SMAD4- und BMPR1A- Gen) und das Peutz-Jeghers-Syndrom (STK11-Gen). Sehr selten liegt auch ein Li-Fraumeni-Syndrom zugrunde, das mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl von Tumoren einhergeht.

Familiäres Magenkarzinom

Klinik

In vielen Familien, in denen eine Häufung von Magenkarzinomen eine erbliche Ursache vermuten lässt, kann derzeit keine genetische Veränderung nachgewiesen werden. Es ist denkbar, dass in diesen Familien Varianten in bislang nicht bekannten Risikogenen für das familiäre Auftreten von Magenkarzinomen verantwortlich sind. Der Nachweis eines erblichen Tumorsyndroms bei einem Patienten hat weitreichende Konsequenzen für seine weitere klinische Betreuung. Dies gilt zum einen für die Wahl des operativen Verfahrens, bei dem das hohe Risiko für Zweitkarzinome berücksichtigt werden muss. Zum anderen benötigen auch gesunde Träger einer pathogenen CDH1-Mutation lebenslang eine intensivierte Vorsorge bezüglich Magenkarzinomen, bei Frauen zusätzlich bezüglich Mammakarzinomen. 

Genetik

Um eine sinnvolle Früherkennung zu gewährleisten sind engmaschige Biopsien der Magen- wand notwendig, da diffuse Magenkarzinome im Frühstadium häufig innerhalb der Magenwand wachsen und endoskopisch nicht zu erkennen sind. Lange wurde von Experten-Netzwerken die prophylaktische Gastrektomie bei gesicherten Mutationsträgern als sinnvollste Maßnahme emp- fohlen. Inzwischen wird diese Empfehlung aufgrund der häufig begleitenden Einschränkung derLebensqualität jedoch wieder vorsichtiger ausgesprochen. (1)

Quellen:
(1.) van der Post RS, Vogelaar IP, Carneiro F, Guilford P, Huntsman D, Hoogerbrugge N, u.a.Hereditary diffuse gastric cancer: updated clinical guidelines with an emphasis on germline CDH1 mutation carriers. J Med Genet. Juni 2015;52(6):361–74.

Klinik

Beim Hereditären Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom besteht neben der Neigung zu Paragangliomen ein erhöhtes Risiko für Phäochromozytome. 

Paragangliome und Phäochromozytome treten z. B. auch bei Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom (Mutationen im VHL-Gen) oder Neurofi- bromatose Typ 1 (Mutationen im NF1-Gen) auf.

Genetik

Bei 20 – 70 % der familiären Fälle werden Mutationen in den Genen SDHD, SDHB oder SDHC nachgewiesen. Seltener werden Mutationen in den Genen SDHAF2, SDHA, MAX und TMEM127 gefunden. Für weitere Gene (z. B. KIF1B und EGLN1) ist ein Zusammenhang bisher nicht gesichert.

Weitere Formen

Endokrine Tumore sind u. a. auch im Rahmen folgender weiterer Erkrankungen beschrieben: Tumore der Nebennierenrinde (adrenokortikale Karzinome) beim Li-Fraumeni-Syndrom (TP53-Mutationen), Hyperparathyreoidismus bei Mutationen in den Genen CASR oder CDC73, Hypophy- sentumore bei Mutationen in den Genen AIP oder PRKAR1A.

 

Handlungsempfehlungen

Aufgrund des erhöhten Tumorrisikos vieler der o. g. Erkrankungen werden für Mutationsträger teilweise spezielle Früherkennungsuntersuchungen und ggf. prophylaktische Operationen empfohlen.

Quellen: Ferreira et al. Cancer Manag Res. 2013 May 8;5:57-66, Khatami and Tavangar Biomark Insights 2018 Jul 2;13, Martucci and Pacak Curr Probl Cancer. 2014 Jan-Feb;38(1), Norton et al. Surg Oncol Clin N Am. 2015 Oct;24(4) Thakker et al. Clinical Practice. J Clin Endocrinol Metab, 2012, 97(9):2990-3011, Gene- Reviews, OMIM

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