FAMILIÄRE NIERENTUMORE

Magenkarzinome im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome

Ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome besteht auch im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome. Insbesonde-reisthierdiehäufigsteFormvonerblichemDarmkrebs (das so genannte HNPCC/Lynch-Syndrom) zu nennen, bei dem die Träger einer ursächlichen genetischen Veränderungen ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs, aber auch für Tumoren in der Gebärmutter, den Eierstöcken, dem Magen, dem Dünndarm, der Bauchspeicheldrüse, den ableitenden Harnwegen und für bestimmte Hauttumoren tragen. Auch bei verschiedenen gastrointestinalen Polyposis-Syndromen ist ein erhöhtes Magenkarzinomrisiko beschrieben.

Dies sind vor allem die Familiäre Adenomatöse Polyposis und das verwandte GAPPS (gastric adenocarcinoma and proximal polyposis of the stomach), die durch Mutationen im APC-Gen verursacht werden, sowie die Juvenile Polyposis (SMAD4- und BMPR1A- Gen) und das Peutz-Jeghers-Syndrom (STK11-Gen). Sehr selten liegt auch ein Li-Fraumeni-Syndrom zugrunde, das mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl von Tumoren einhergeht.

Familiäres Magenkarzinom

Klinik

In vielen Familien, in denen eine Häufung von Magenkarzinomen eine erbliche Ursache vermuten lässt, kann derzeit keine genetische Veränderung nachgewiesen werden. Es ist denkbar, dass in diesen Familien Varianten in bislang nicht bekannten Risikogenen für das familiäre Auftreten von Magenkarzinomen verantwortlich sind. Der Nachweis eines erblichen Tumorsyndroms bei einem Patienten hat weitreichende Konsequenzen für seine weitere klinische Betreuung. Dies gilt zum einen für die Wahl des operativen Verfahrens, bei dem das hohe Risiko für Zweitkarzinome berücksichtigt werden muss. Zum anderen benötigen auch gesunde Träger einer pathogenen CDH1-Mutation lebenslang eine intensivierte Vorsorge bezüglich Magenkarzinomen, bei Frauen zusätzlich bezüglich Mammakarzinomen. 

Genetik

Um eine sinnvolle Früherkennung zu gewährleisten sind engmaschige Biopsien der Magen- wand notwendig, da diffuse Magenkarzinome im Frühstadium häufig innerhalb der Magenwand wachsen und endoskopisch nicht zu erkennen sind. Lange wurde von Experten-Netzwerken die prophylaktische Gastrektomie bei gesicherten Mutationsträgern als sinnvollste Maßnahme emp- fohlen. Inzwischen wird diese Empfehlung aufgrund der häufig begleitenden Einschränkung derLebensqualität jedoch wieder vorsichtiger ausgesprochen. (1)

Quellen:
(1.) van der Post RS, Vogelaar IP, Carneiro F, Guilford P, Huntsman D, Hoogerbrugge N, u.a.Hereditary diffuse gastric cancer: updated clinical guidelines with an emphasis on germline CDH1 mutation carriers. J Med Genet. Juni 2015;52(6):361–74.

Etwa 3 – 8 % aller Nierentumore beruhen auf einer angeborenen genetischen Veranlagung. Der Verdacht auf erbliche Hintergründe besteht bei familiärer Häufung bestimmter Tumorerkrankungen und/oder assoziierter Symptome, aber auch bei beidseitigem und/oder multizentrischen Auftreten und/oder frühem Erkrankungsalter.

Familiäre Nierentumore werden in der Regel autosomal-dominant (mit teilweise inkompletter Penetranz) vererbt. Bisher wurden einige erbliche Syndrome identifiziert, in deren Rahmen (auch) Nierentumore auftreten. Der histologische Typ kann einen Hinweis auf die genetische Ursache geben.
Die Diagnose einer Veranlagung zu erblichen Nierentumoren ist unter mehreren Aspekten für den Patienten wichtig:

  • Einschätzung des Erkrankungsrisikos
  • Bei unilateraler Manifestation besteht auch für die zweite Seite eine Risikoerhöhung, daher möglichst organerhaltende Therapie.
  • Bei Spendernieren aus der Familie ist das Erkrankungsrisiko des Spenders im Hinblick auf seine eigene Gesundheit und der des Empfängers zu beachten.
  • Bei syndromalen Formen bestehen Tumorrisiken auch in anderen Organen, vor einem operativen Eingriff Abklärung hinsichtlich synchroner Tumorerkrankungen.
  • Zielgerichtete Therapie, z. B: PD1-Blockade bei Lynch-Syndrom

Mutationen im VHL-Gen führen zum Von-Hippel-Lindau-Syndrom, bei dem vorwiegend klarzellige Nierenzellkarzinome sowie Hämangioblastome des Zentralnervensystems und der Retina auftreten. Das Lebenszeitrisiko hierfür liegt bei > 70 %. Seltener treten Phäochromozytome, Paragangliome und neuroendokrine Tumoren der Bauchspeicheldrüse auf. Häufig sind zudem viszerale Zysten.

Mutationen im FLCN-Gen sind ursächlich für das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom. Dieses Krankheitsbild geht mit verschiedenen Hautveränderungen (Fibrofollikulomen und Trichoadenomen), einem Risiko von ca. 25 % für Nierenzellkarzinome (insbesondere chromophobe Nierenzellkarzinome) sowie einem ca. 50-fach erhöhten Risiko für einen Spontanpneumothorax durch die Rup-tur von häufig sehr kleinen und in der Bildgebung nur mit hoher Auflösung sichtbaren Lungenzysten einher.

Veränderungen im MET-Protoonkogen sind für das hereditäre papilläre Nierenzellkarzinom (Typ 1) verantwortlich. Typisch ist das Auftreten multipler bilateraler Nierenzellkarzinome. Heterozygote Mutationen im FH-Gen sind mit gutartigen Leiomyomen der Haut und der Gebärmutter sowie einem erhhten Risiko (etwa 15 %) für Nierenzellkarzinome (insbesondere papilläre Nierenzellkarzinome Typ 2) assoziiert („Hereditary Leio-myomatosis and Renal Cell Cancer, HLRCC). 

Mutationen in den Genen SDHA, SDHB, SDHC und SDHD sind mit dem Hereditären Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom assoziiert. Außerdem besteht bei dieser Veranlagung ein erhöhtes Risiko für Nierenzellkarzinome (bei SDHB wahrscheinlich ca. 10 – 15 %), gastrointestinale Stromatumore und Hypophysentumore.

Mutationen im PTEN-Gen sind ursächlich für das PTEN-Hamartoma- Tumor- bzw. Cowden-Syndrom, die durch das Auftreten von multiplen Hamartomen im Magen-Darm-Trakt sowie Nierenzellkarzinome (geschätztes Risiko 5 – 35 %) und weitere Tumorer-krankungen (insbesondere Mamma-, Schilddrüsen-, Endometri-umkarzinome) charakterisiert sind.

Weiterhin ist für Mutationen im BAP1-Gen ein erhöhtes Risiko für ein klarzelliges Nierenzellkarzinom, Melanome der Haut und der Uvea, Mesotheliome und andere Krebstypen beschrieben.

Papilläre Nierenzellkarzinome wurden des Weiteren im Rahmen des seltenen „Hyperparathyreoidismus-Kiefer-Tumor-Syndroms“ mit ursächlichen Mutationen im CDC73 (HRPT2)-Gen beschrieben. Dieses Syndrom ist außerdem charakterisiert durch das Auftreten von primärem Hyperparathyreoidismus sowie fibroossären mandibulären und maxillären Kiefertumoren. 

Desweiteren wurde im Rahmen des HNPCC/Lynch-Syndroms (Mutationen in den Genen MLH1, MSH2, EPCAM, MSH6 und PMS2) neben der Prädisposition für kolorektale Karzinome, Endometrium- und Ovarialkarzinom auch eine Prädisposition für Glioblasto-me, Dünndarm-, hepatobiliäre und auch Urothelkarzinome von Nierenbecken und Harnleiter beschrieben.

In ca. 5 % der Patienten mit Tuberöser Sklerose (Mutationen in den Genen TSC1 und TSC2) wurden Nierentumore (Angiomyolipome) gefunden.

Des Weiteren wurden Nierenzellkarzinome bei Patienten mit Mutationen in den Genen HNF1A und HNF1B identifiziert, welche einen MODY (Maturity-Onset Diabetes of the Young) Typ 3 und 5 verursachen.

Dem gegenüber stehen die isolierten familiären Nierenzellkarzinome. Ein entsprechender Verdacht besteht,enn mindestens zwei Familienangehörige an einem Nierenzellkarzinom erkrankt sind bei Abwesenheit der o. g. syndromalen Auffälligkeiten. In diesen Fällen werden insbesondere Mutationen in SDHB, FH, MET, VHL, BAP1 und FLCN gefunden.

Eine Einordnung in eines der genannten Krankheitsbilder ermöglicht eine individuelle Betreuung mit spezifischen Empfehlungen für Früherkennungsuntersuchungen. Wird eine krankheitsverursachende Mutation nachgewiesen, kann zudem eine gezielte genetische Untersuchung bei (noch) gesunden Angehörigen angeboten werden.

Selbsthilfegruppen erbliche Tumorerkrankungen

Quellen

Maher et al. World J Urol. 2018 Dec;36(12):1891-1898, Haas et al. Adv Chronic Kidney Dis. 2014 Jan;21(1):81-90, Shuch et al. J Clin Oncol. 2014 Feb 10;32(5):431-7, Decker medizinische genetik volume 19, pages 239-244(2007), OMIM, GeneReviews.

Autor: Klinische Kompetenzgruppe Onkologie

Klinik

Beim Hereditären Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom besteht neben der Neigung zu Paragangliomen ein erhöhtes Risiko für Phäochromozytome. 

Paragangliome und Phäochromozytome treten z. B. auch bei Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom (Mutationen im VHL-Gen) oder Neurofi- bromatose Typ 1 (Mutationen im NF1-Gen) auf.

Genetik

Bei 20 – 70 % der familiären Fälle werden Mutationen in den Genen SDHD, SDHB oder SDHC nachgewiesen. Seltener werden Mutationen in den Genen SDHAF2, SDHA, MAX und TMEM127 gefunden. Für weitere Gene (z. B. KIF1B und EGLN1) ist ein Zusammenhang bisher nicht gesichert.

Weitere Formen

Endokrine Tumore sind u. a. auch im Rahmen folgender weiterer Erkrankungen beschrieben: Tumore der Nebennierenrinde (adrenokortikale Karzinome) beim Li-Fraumeni-Syndrom (TP53-Mutationen), Hyperparathyreoidismus bei Mutationen in den Genen CASR oder CDC73, Hypophy- sentumore bei Mutationen in den Genen AIP oder PRKAR1A.

 

Handlungsempfehlungen

Aufgrund des erhöhten Tumorrisikos vieler der o. g. Erkrankungen werden für Mutationsträger teilweise spezielle Früherkennungsuntersuchungen und ggf. prophylaktische Operationen empfohlen.

Quellen: Ferreira et al. Cancer Manag Res. 2013 May 8;5:57-66, Khatami and Tavangar Biomark Insights 2018 Jul 2;13, Martucci and Pacak Curr Probl Cancer. 2014 Jan-Feb;38(1), Norton et al. Surg Oncol Clin N Am. 2015 Oct;24(4) Thakker et al. Clinical Practice. J Clin Endocrinol Metab, 2012, 97(9):2990-3011, Gene- Reviews, OMIM

Weitere Beiträge in dieser Kategorie: