PRÄNATALDIAGNOSTIK:
EINFÜHRUNG

Die Pränataldiagnostik (PND) umfasst alle vorgeburtlichen Untersuchungen, die gesundheitsrelevante Informationen der Schwangeren und des Feten erfassen. Sie zielt damit auf eine medizinische Begleitung von Schwangerschaft und Geburt, die Risiken für das zu erwartende Kind und die werdende Mutter früh erkennt und soweit wie möglich minimiert. Dabei können sowohl invasive als auch nicht-invasive Verfahren zum Einsatz kommen, welche unterschiedlichen medizinischen Fragestellungen beantworten. Ein klassisches, nicht-invasives Verfahren stellt die Ultraschalluntersuchung dar, welche ab einer bestimmten Größe des Feten morphologische Auffälligkeiten wie z. B. eine erhöhte Nackentransparenz darstellen kann. Hingegen folgt bei einer invasiven Fruchtwasserpunktion oder Chorionzottenbiopsie eine genetische Untersuchung des Feten oder seiner Plazenta, welche z. B. eine Trisomie oder eine Mikrodeletion anzeigen kann. Eingebettet werden muss jede genetische pränataldiagnostische Untersuchung in eine genetische Beratung sowohl vor als auch nach Erhalt des Untersuchungsergebnisses. Dies ist so im Gendiagnostikgesetz definiert.

Pränataldiagnistik_Einführung_Abb-1
Eine Auswahl an Schwerpunkten in der Pränataldiagnostik. Sie beinhalten medizinische und auch diagnostische Aspekte. Ziel der Pränataldiagnostik ist es, die genannten Untersuchungsmethoden bei Patienten mit entsprechender Risikokonstellation in einer sinnvollen, bedarfsangepassten Reihenfolge anzuwenden.

Die klassischen Indikationen für eine Pränataldiagnostik stellen neben detektierten Fehlbildungen und vorab bekannten genetischen Aberrationen auch das mütterliche Altersrisiko dar. Die damit einhergehende erhöhte Wahrscheinlichkeit für zahlenmäßige Fehlverteilungen der Chromosomen rechtfertigt(e) in der Vergangenheit die Durchführung einer diagnostischen Punktion des Fruchtwassers oder der Chorionzotten (Amniozentese bzw. Chorionzottenbiopsie). Das Risiko dieser Eingriffe für eine Fehlgeburt liegt heute bei unter 1 zu 1000 (0.1%). Die Einführung neuerer Untersuchungsmethoden, wie hochauflösende Ultraschallverfahren, nicht-invasive Pränataltestung (NIPT) sowie Mikroarray- und Gen-Analysen machen die Entscheidungen für eine Pränataldiagnostik zunehmend komplexer, indem sie die Auswahl an Untersuchungsoptionen und die Bandbreite der erfassbaren Aberrationen um ein Vielfaches erhöhen. Hier gilt es für jedes einzelne Elternpaar, individuell und bedarfsangepasst einen diagnostischen Algorithmus zu entwickeln und die mit der Diagnose-Findung möglichen Unsicherheiten und Ängste der werdenden Eltern durch kompetente genetische Beratung bestmöglich zu minimieren.

Genetische Beratung

Bereits die Möglichkeit einer vorgeburtlichen Diagnostik kann werdende Eltern vor schwierige Fragen stellen und verunsichern. Die genetische Beratung vor oder nach einer vorgeburtlichen Diagnostik stellt eine verantwortungsvolle Schnittstelle zwischen behandelnden FrauenarztIn und PränatalmedizinerIn dar. Wir vermitteln Ihnen das Basisrisiko für angeborene Erkrankungen und Fehlbildungen unter Berücksichtigung Ihrer eigenen und familiären Vorgeschichte (Mutterpass). Darauf basierend zeigen wir für Ihre persönliche Situation die Möglichkeiten und Grenzen sowie ggf. mögliche Risiken der vorgeburtlichen Diagnostik auf. In unserer genetischen Beratung können Fragen zu Erkrankungen, Fehlbildungen oder anderen Merkmalen, die mit einer möglichen erblichen Ursache einhergehen, erörtert werden. Unser Ziel ist es, Ihnen unnötige Sorgen und Ängste zu nehmen und Sie als werdende Eltern auf dem Weg zu einer selbstbestimmten Entscheidung zu begleiten.

Basisrisiko

Jedes Elternpaar hat, unabhängig von der spezifischen Situation, die zur Beratung führte, ein sog. Basisrisiko von etwa 5 %, ein Kind mit einer Fehlbildung oder Krankheit zu bekommen. Nur ein Teil dieser Fehlbildungen bzw. Erkrankungen kann mit Hilfe vorgeburtlicher Untersuchungen erkannt werden. Zur Senkung des allgemeinen Fehlbildungsrisikos (insbesondere von Neuralrohrdefekten, z. B. des „offenen Rückens“) wird eine Folsäureeinnahme empfohlen, die bereits vor der Schwangerschaft beginnen sollte.

 

Mutterpass

Genetische Diagnostik beginnt streng genommen mit dem Mutterpass: er erfasst auch die eigene Krankengeschichte der Schwangeren, des Kindsvaters und die ihrer Familien. 

Bei Fragen zur Erblichkeit einer dort genannten Erkrankung oder Bedeutung einer Auffälligkeit könnte eine „Genetische Beratung“ alle Entscheidungen über eine sinnvolle vorgeburtliche Diagnostik vorbereitend klären.

Fehlbildungen

Drei Ultraschalluntersuchungen sind laut Mutterpass Teil der Vorsorge für jede Schwangere: zur Festlegung des Geburtstermins und der Zahl der Fruchtanlagen bzw. Föten sowie zur Verlaufskontrolle der Schwangerschaft. Der Fein-oder Organschall zwischen der 18. und 22. SSW kann das bisherige Wachstum des Kindes überprüfen, Anlage und Entwicklung des Skeletts und der inneren Organe einschließlich der soweit bereits erkennbaren Gehirnstrukturen. Die für das Ersttrimester-Screening erforderliche Ultraschalluntersuchung achtet primär auf eine mögliche Einlagerung von Wasser in den kindlichen Nacken („NT“), die gehäuft bei einem kindlichen Chromosomen- oder Herzfehler gesehen werden. Nicht selten fallen jedoch bereits hier Anomalien auf, die weiter abgeklärt werden können. Eine genetische Beratung soll vor der Punktion von Fruchtwasser oder Chorionzotten die für die Interpretation des Resultats so wichtigen Angaben zur Eigen- und Familienanamnese ergänzen sowie mit den Partnern die möglichen Befunde und ihren Wunsch nach Abklärung vorbesprechen.

Autor: Klinische Kompetenzgruppe Pränatalmedizin

Magenkarzinome im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome

Ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome besteht auch im Rahmen anderer erblicher Tumorsyndrome. Insbesonde-reisthierdiehäufigsteFormvonerblichemDarmkrebs (das so genannte HNPCC/Lynch-Syndrom) zu nennen, bei dem die Träger einer ursächlichen genetischen Veränderungen ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs, aber auch für Tumoren in der Gebärmutter, den Eierstöcken, dem Magen, dem Dünndarm, der Bauchspeicheldrüse, den ableitenden Harnwegen und für bestimmte Hauttumoren tragen. Auch bei verschiedenen gastrointestinalen Polyposis-Syndromen ist ein erhöhtes Magenkarzinomrisiko beschrieben.

Dies sind vor allem die Familiäre Adenomatöse Polyposis und das verwandte GAPPS (gastric adenocarcinoma and proximal polyposis of the stomach), die durch Mutationen im APC-Gen verursacht werden, sowie die Juvenile Polyposis (SMAD4- und BMPR1A- Gen) und das Peutz-Jeghers-Syndrom (STK11-Gen). Sehr selten liegt auch ein Li-Fraumeni-Syndrom zugrunde, das mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl von Tumoren einhergeht.

Familiäres Magenkarzinom

Klinik

In vielen Familien, in denen eine Häufung von Magenkarzinomen eine erbliche Ursache vermuten lässt, kann derzeit keine genetische Veränderung nachgewiesen werden. Es ist denkbar, dass in diesen Familien Varianten in bislang nicht bekannten Risikogenen für das familiäre Auftreten von Magenkarzinomen verantwortlich sind. Der Nachweis eines erblichen Tumorsyndroms bei einem Patienten hat weitreichende Konsequenzen für seine weitere klinische Betreuung. Dies gilt zum einen für die Wahl des operativen Verfahrens, bei dem das hohe Risiko für Zweitkarzinome berücksichtigt werden muss. Zum anderen benötigen auch gesunde Träger einer pathogenen CDH1-Mutation lebenslang eine intensivierte Vorsorge bezüglich Magenkarzinomen, bei Frauen zusätzlich bezüglich Mammakarzinomen. 

Genetik

Um eine sinnvolle Früherkennung zu gewährleisten sind engmaschige Biopsien der Magen- wand notwendig, da diffuse Magenkarzinome im Frühstadium häufig innerhalb der Magenwand wachsen und endoskopisch nicht zu erkennen sind. Lange wurde von Experten-Netzwerken die prophylaktische Gastrektomie bei gesicherten Mutationsträgern als sinnvollste Maßnahme emp- fohlen. Inzwischen wird diese Empfehlung aufgrund der häufig begleitenden Einschränkung derLebensqualität jedoch wieder vorsichtiger ausgesprochen. (1)

Quellen:
(1.) van der Post RS, Vogelaar IP, Carneiro F, Guilford P, Huntsman D, Hoogerbrugge N, u.a.Hereditary diffuse gastric cancer: updated clinical guidelines with an emphasis on germline CDH1 mutation carriers. J Med Genet. Juni 2015;52(6):361–74.

Klinik

Beim Hereditären Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom besteht neben der Neigung zu Paragangliomen ein erhöhtes Risiko für Phäochromozytome. 

Paragangliome und Phäochromozytome treten z. B. auch bei Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom (Mutationen im VHL-Gen) oder Neurofi- bromatose Typ 1 (Mutationen im NF1-Gen) auf.

Genetik

Bei 20 – 70 % der familiären Fälle werden Mutationen in den Genen SDHD, SDHB oder SDHC nachgewiesen. Seltener werden Mutationen in den Genen SDHAF2, SDHA, MAX und TMEM127 gefunden. Für weitere Gene (z. B. KIF1B und EGLN1) ist ein Zusammenhang bisher nicht gesichert.

Weitere Formen

Endokrine Tumore sind u. a. auch im Rahmen folgender weiterer Erkrankungen beschrieben: Tumore der Nebennierenrinde (adrenokortikale Karzinome) beim Li-Fraumeni-Syndrom (TP53-Mutationen), Hyperparathyreoidismus bei Mutationen in den Genen CASR oder CDC73, Hypophy- sentumore bei Mutationen in den Genen AIP oder PRKAR1A.

 

Handlungsempfehlungen

Aufgrund des erhöhten Tumorrisikos vieler der o. g. Erkrankungen werden für Mutationsträger teilweise spezielle Früherkennungsuntersuchungen und ggf. prophylaktische Operationen empfohlen.

Quellen: Ferreira et al. Cancer Manag Res. 2013 May 8;5:57-66, Khatami and Tavangar Biomark Insights 2018 Jul 2;13, Martucci and Pacak Curr Probl Cancer. 2014 Jan-Feb;38(1), Norton et al. Surg Oncol Clin N Am. 2015 Oct;24(4) Thakker et al. Clinical Practice. J Clin Endocrinol Metab, 2012, 97(9):2990-3011, Gene- Reviews, OMIM

Weitere Beiträge in dieser Kategorie: